Verwirrung um „Nuclear Sharing“
Will das NATO- Mitglied Polen Atomraketen auf seinem Territorium?
Der polnische Staatspräsident Andrzej Duda löste mit seiner Befürwortung eines „Nuclear Sharing“ am 21. April gegenüber der polnischen Zeitung „Fakt“ Wirbel aus. https://www.fakt.pl/polityka/amerykanie-pytali-andrzej-dude-o-nuclear-sharing-zglosilem-nasza-gotowosc/g79lhxx
Denn Regierungschef Donald Tusk war von dem Vorstoß überrascht und meldete Gesprächsbedarf an, er warte „ungeduldig“ auf eine Begegnung mit dem Präsidenten.
Polens Außenminister Radek Sikorski wurde am Dienstag deutlicher: „die Regierung verantwortet die Außenpolitik“. Eine so wichtige Frage wie die Stationierung von Atomwaffen sei bislang nicht innerhalb der Regierung diskutiert worden.
„Provokativ“ nannte Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums den Vorstoß Dudas und kündigte Maßnahmen Russlands an. https://tass.ru/politika/20615829
An „Nuclear Sharing“ sind inoffiziell die NATO-Mitglieder Deutschland, die Niederlande, Belgien, Italien und die Türkei beteiligt. Die dort stationierten vermutlich 100 Atomraketen können nur in einer gemeinsamen Entscheidung zwischen USA und dem betreffenden Land abgefeuert werden.
Doch was hat der polnische Präsident gegenüber dem polnischen Reporter Michal Wlodzinski in New York genau gesagt?
Der Journalist stellte eine Suggestivfrage, und berief sich auf den Amerikanistik-Professor Zbigniew Lewicki, der davon ausging, dass es bereits polnisch-amerikanischen Gespräche zu dem Thema „Nuclear Sharing“ gebe. Was der Nationalkonservative bejahte - „seit einiger Zeit“ würden solche Gespräche geführt. Der Präsident argumentierte mit der Gefahr durch russische Atomraketen in Belarus.
„Wenn es eine solche Entscheidung unserer Verbündeten geben sollte, Atomwaffen im Rahmen der „Nuclear Sharing“ auch auf unserem Territorium zu stationieren, um die Sicherheit der Ostflanke der Nato zu stärken, sind wir dazu bereit.“ ist der Satz, der dann um die Welt ging.
Unklar ist jedoch, wen der Doktor der Rechte mit „wir“ gemeint haben kann.
Rein formal ist das polnische Staatsoberhaupt Oberkommandierender der Streitkräfte und hat in der Verteidigungs- wie in der Außenpolitik Mitspracherecht; hier ist die polnische Verfassung nicht sehr genau, was die Kompetenzgrenzen angeht.
Und dies ist heikel – denn mit der Zusammenarbeit zwischen dem 51-jährigen und der Koalition unter Donald Tusk hapert es. Duda gehört dem nationalkonservativen Lager der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) an, welche nach acht Jahren Regierungszeit im Dezember abgelöst wurde. Die neue Führung in Warschau versucht nun, die umstrittene rechte Justizreform rückgängig zu machen, Duda ist bestrebt, hier mittels Veto dagegen zu halten. Allerdings zog er, der vielleicht nicht der Allergewiefteste ist, bei den bisherigen Machtspielen eher den Kürzeren.
Nur beim Thema Unterstützung der Ukraine schien lange Einigkeit zu herrschen.
Doch ein Riss entstand in der vergangenen Woche, Duda wurde von Donald Trump in dessen „Trump Tower“ spontan geladen, „ein völlig privater Besuch“, wie der polnische Präsident wenig glaubhaft versicherte. Doch der ehemalige und vielleicht künftige Präsident Amerikas war als Gegner der 61 Milliarden Dollar Ukraine-Hilfe aufgetreten, welche am vergangenen Samstag im dann doch Repräsentanten-Haus verabschiedet wurde. Auch will Trump bei einem Wahlsieg die Ukraine zu Gebietsabtritten nötigen. https://jensmattern.substack.com/p/der-polnische-freund-im-trump-tower
Ein Besuch also, der bei der polnischen Regierung nicht auf Gegenliebe stieß, doch die „Bombe“, welche Duda mit der Behauptung über die Atomraketen platzen ließ, ist ernster.
Zumal Dudas Kanzlei-Chef Marcin Mastalerek am Dienstag im rüden Ton Tusk gemahnte, einfach dem Vorschlag zu folgen, und nicht dauernd „Deutschland, Deutschland, Deutschland“ (auf Deutsch gesprochen) im Kopf zu haben. Eine alte Strategie der PiS, den gebürtigen Danziger als Knecht Berliner Interessen zu brandmarken.
Der Präsident, dem immer mal wieder Wankelmut vorgeworfen wird, versucht somit, auf diesem schwierigen Feld aggressiv die Führung zu übernehmen, einen „Punkt“ zu landen. Am Mittwoch wird der Nationalkonservative dann von seiner Nordamerika-Reise zurückkehren. Das bald folgende Gespräch, mit dem gern mal rauhbeinigen und ätzenden Tusk, was sich selbstverständlich hinter verschlossenen Türen abspielen wird, kann kaum freundlich verlaufen.
Vermutlich war Dudas Aussage taktisch ein Fehler aber von der Faktenlage richtig, gegenüber der rechten Zeitung „Gazeta Polska“ hat sich Duda bereits 2022 über entsprechende Gespräche mit den USA geäußert.
Auch vom Chef des staatlichen „Büros für Nationale Sicherheit“ (BBN) war dies jüngst zu erfahren, die Botschafterin unter Trump, Georgette Mosbacher, habe angedeutet, dass die Raketen von Deutschland nach Polen transferiert werden könnten, sollte Berlin aus „Nuclear Sharing“ aussteigen wollen. https://www.wprost.pl/kraj/11665564/z-kim-andrzej-duda-rozmawial-o-nuclear-sharing-szef-bbn-wskazal-na-bialy-dom.html
Gegenüber dem Portal WP gab sich der US-Regierungssprecher Matthew Miller zu dem Duda-Interview befragt eher wage, wie es sich für ein so schwieriges Thema gehört. Washington sehe derzeit keine Anzeichen, dass Russland Atomwaffen einsetzen würde. Das nukleare Potential der USA sei jedoch den Gegebenheiten anzupassen. https://wiadomosci.wp.pl/bron-jadrowa-w-polsce-departament-stanu-reaguje-na-deklaracje-dudy-7020080180759488a
Polen ist wie Litauen ein lauter Mahner bezüglich Russland, die große Frage steht im Raum, welche Konsequenzen anstehen, wenn Donald Trump wirklich die Wahlen gewinnt. Welche „Deals“ wird der Mann abschließen, der die Weltpolitik durch die Brille des Geschäftsmannes und eines großen Egos sieht? Wie sollen die EU-Länder agieren, wenn Trump die NATO demontieren wird? Es gibt das in Berlin gestartete Projekt einer Gesamt-europäischen Luftabwehr, die „European Sky Shield Initiative“, welche sich Polen kürzlich angeschlossen hat.
Außenminister Radek Sikorski wirkt als der große Promoter einer europäischen Verteidigung, der 61-jährige ist auch im Gespräch für den neuen Posten eines EU-Kommissars der Verteidigung. Es
Dass nun bei diesem wichtigen Player in der Gruppe der Kreml-Gegner, Präsident und Regierung anscheinend nicht miteinander kooperieren können, dass es bald zu innerpolnischen Streitereien kommt, wobei auch verletzte Eitelkeiten im Spiel sind, all dies wird sich Wladimir Putin genau anschauen. Und welche Schlüsse wird der Kremlchef wohl ziehen, er der nur Stärke akzeptiert und auf Schwäche entsprechend reagiert?
Es kann sein, dass das Land, welches mit der russischen Oblast Kaliningrad eine Grenze teilt, bald einem „Test“ unterzogen wird.