Kanzler Olaf Scholz hat im Widerspruch zu halboffiziellen Vorankündigungen kein Entschädigungsangebot für die Kriegsfolgen bei seinem Besuch in Warschau mitgebracht.
Dies hat Folgen für den Gastgeber Donald Tusk.
Bei den deutsch-polnischen Regierungskonsultationen am Dienstag wurde primär das „Deutsch Polnische Haus“ vorgestellt.
Eine Einrichtung, welche den deutschen Besuchern vermitteln soll, wie Polen durch deutsche Invasion und Besatzung im Zweiten Weltkrieg fünf Millionen Menschen verloren hat. Gleichzeitig würde das Gebäude, geplant ist der Standort Tiergarten in Berlin als Begegnungsstätte für Polen und Deutsche dienen.
Das Projekt, welches nach Verlautbarung der Bundesregierung „schnellstmöglich“ fertig gestellt werde, geht auf eine Idee des verstorbenen Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs und polnischen Außenministers Wladyslaw Bartoszewski zurück und war Gegenstand vieler Debatten.
„Deutschland weiss um die Schwere seiner Schuld und die Verantwortung für Millionen Opfer der deutschen Besatzung.“ so Scholz bei der Pressekonferenz zusammen mit Premierminister Donald Tusk.
Der Sozialdemokrat versprach Unterstützung für die noch lebenden Opfer, doch es folgte, wie bereits erwähnt, nichts Konkretes dazu, auch nicht nach einem Nachhaken des SZ-Journalisten Daniel Brössler.
Zum Verständnis: der Komplex Zweiter Weltkrieg ist ein Schwachpunkt der Koalition in Warschau, welche im Dezember die achtjährige Regierungszeit der „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) abgelöst hat.
Die nationalkonservative PiS fordert seit Jahren Reparationsleistungen von Deutschland, die Schäden im Zweiten Weltkrieg belaufen sich nach ihrer Berechnung auf 1,3 Billionen Euro.
Und die Partei unter dem promovierten Juristen Jaroslaw Kaczynski hat in dieser Frage den Rückhalt von 58 Prozent der polnischen Bevölkerung. https://www.pap.pl/aktualnosci/wiekszosc-polakow-popiera-wystapienie-do-niemiec-o-odszkodowania-sondaz-cbos
In einem Streit um das „Museum des Zweiten Weltkriegs“ in Danzig bekam Tusk den Druck der Rechten zu spüren, als eine Teilausstellung über polnische Ikonen des Widerstands wie Maximilian Kolbe und die Familie Ulma entfernt wurden, um die ursprüngliche Herstellung wieder herzustellen. Die PiS hatte im Frühjahr den Museumsdirektor, einen Vertrauten von Donald Tusk ausgewechselt, um die Hauptausstellung zu verändern, es sollte mehr der Fokus auf polnische Helden gelegt werden. Nun wurde die Korrektur wieder rückgängig gemacht – selbst der stellvertretende Premierminister und Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz hatte sich gegen die Entfernung der bekannten Persönlichkeiten in scharfer Weise ausgesprochen. Eine Machtprobe und ein Zeichen, dass der Chef der Bauernpartei PSL bereit ist, sein Umfragetief mit einer Anbiederung an die PiS zu korrigieren. Die Koalition in Warschau ist derzeit alles andere als stabil.
Der Danziger Tusk, der seit fast zwanzig Jahren von den polnischen Rechten als „Deutscher“ geschmäht wird, ging somit ein gewisses Risiko ein, auf Entschädigungsforderungen zu verzichten. „Juristisch ist es abgeschlossen“, erklärte der Chef der „Bürgerkoalition“ auch am Dienstag.
Allerdings war von Seiten der Führung in Warschau mehrfach ein deutliches Zeichen von deutscher Seite angeregt worden.
Dies blieb nun aus, auch wenn argumentiert werden kann, dass die polnischen Zwangsarbeiter unter der Regierung Gerhard Schröder einen finanziellen Ausgleich bekommen haben - es drängt die Zeit für die letzten Überlebenden. Die Rechten in Polen und ihre Medien haben nun sofort nach der Pressekonferenz eine Kampagne gegen den studierten Historiker Donald Tusk gestartet – er würde deutsche Interessen über polnische setzen, vor Scholz knien etc. Auch der PiS-nahe Staatspräsident Andrzej Duda kritisierte Tusk für diesen Verzicht scharf.
Dass der Hanseat Olaf Scholz mit seiner Vorliebe für das Beschmunzeln der Empfindlichkeiten anderer, keine Sensoren für die emotional-katholischen Nachbarn hat, war abzusehen. Er wäre jedoch gut beraten gewesen, sich im Vorfeld besser beraten zu lassen.